Alain Pichard

Lehrplan 21

Gescheit, gescheiter, gescheitert – Die heutige Bildungspolitik aus der Sicht eines Praktikers

Referat von Alain Pichard, Reallehrer und Stadtrat, Biel

Dienstag, 2. Dezember 2014, 20:00 Uhr, Hotel Freienhof, Thun

Eintritt frei, Kollekte

Der Bieler Reallehrer Alain Pichard ist bekannt für seine pointierten Aussagen zur gegenwärtigen Bildungspolitik. Der Initiant des Memorandums 550gegen550 spricht bei der Staatsbürgerlichen Gesellschaft Thun über den Lehrplan 21, die Kompetenzorientierung, über die Mechanismen einer "ausser Rand und Band geratenen Bildungsbürokratie" und seine Vision der Schule, die er die Weisheit der Praxis nennt.

Alain Pichard

Am Freitag, den 7. November 2014 haben die Lehrplanverantwortlichen die dritte und letzte Version des LP21 der Öffentlichkeit vorgestellt. Die 1‘000 Lehrkräfte, welche das lehrplankritische Memorandum 550gegen550 unterzeichnet haben, sind dabei, die Änderungen dieses Monumentalwerks zu analysieren. Am 2. Dezember wird Alain Pichard u.a. die Schlussfolgerungen der Memorandumsinitianten in einem Referat vor der Staatsbürgerlichen Gesellschaft präsentieren.

Dabei wird der streitbare Pädagoge und Kolumnist einen tiefen Einblick in das Funktionieren der aktuellen Bildungspolitik geben. In seiner Erfahrung sind die Player in unserem Bildungssystem zurzeit nicht die Praktiker, sondern die Steuerzentralen der heutigen Bildungspolitik, die sich in den Bildungsdirektionen befinden und die gemäss Pichard von Leuten bedient werden, welche den Herausforderungen des Unterrichts fernbleiben.

Man schätze die Lehrpersonen als Erfüllungsgehilfen, weil man wisse, dass es ohne sie nicht geht. Gleichzeitig spreche man ihnen aber je länger je mehr jede Kompetenz ab, sich zu schulpolitischen Fragen oder zur Schulentwicklung generell zu äussern, weil ihnen anscheinend die akademische, wissenschaftliche Betrachtungsweise abgehe.

Nicht nur mit diesem Mythos wird der Lehrer mit 37 Jahren Berufserfahrung aufräumen. Er wird versuchen, den Begriff „Kompetenzorientierung“ auch für Laien verständlich zu machen, und erklären, weshalb viele Lehrkräfte der bevorstehenden Standardisierung und Messbarmachung des Schweizer Bildungssystems kritisch gegenüberstehen. In seinem Referat wird Alain Pichard aber auch die wichtigen politischen Hintergründe dieses angestrebten Paradigmenwechsels der Schweizer Schule verdeutlichen und auf die inhärenten Widersprüche der heutigen Reformpolitik hinweisen.

Ein Verweis auf die Ergebnisse des Bildungsforschers John Hattie und die Erkenntnisse, die Pichard aus einem dreimonatigen Bildungsurlaub in Boston mitgenommen hat, runden sein Referat ab. Die Geschichte der grossen Modelle von Schulreform ist nach Alain Pichard gescheit aber gescheitert. Wenn jede Schule anders sei, könne sich auch jede nur für sich entwickeln. Notwendig dafür seien Netzwerke, in denen Schulen voneinander lernten, ohne einen Masterplan umzusetzen. Der Reallehrer, der Jahrzehnte lang in Biel in sogenannten sozialen Brennpunkten unterrichtet hat, präsentiert keine Wunderrezepte, sondern zeigt auf, was die Weisheit der Praxis zu leisten vermag und wie verantwortungsvoll unterrichtet werden kann, wenn täglich Probleme auftreten, die eigentlich unlösbar scheinen.

Man erfährt viel von der Anstrengung, eine gute Schule zu führen, sie transparent zu halten und die Eltern in die Verantwortung einzubinden. Wer den Kolumnisten und Autor Alain Pichard kennt, weiss aber auch, dass man sich auf unterhaltsame Anekdoten und eine gute Prise Selbstironie – frei von Selbstgerechtigkeit – gefasst machen darf.